Apollo Astronauten im Kaiserhof Hotel Sonne

Es ist ein Jahr nach der ersten bemannten Mondlandung.

Plötzlich eilt da – in der sonst damals ruhigen Stadt Nördlingen im Ries – der Oberbürgermeister Hermann Keßler sichtlich aufgeregt über den Marktplatz.

Gerade hat er diskret erfahren, dass die NASA vier Apollo-Astronauten ausgerechnet in seinem Rieser Städtchen auf die nächsten Mondmissionen vorbereiten will.

Uns so kommt Herrmann Keßler im Juli 1970 vorerst noch in geheimer Mission in das Hotel Sonne, seinerzeit das erste Haus am Platz.

„Wir erwarten großen Besuch“, sagt er leise, und dieser solle in dem gepflegten Familienbetrieb untergebracht werden, inklusive Empfang mit allen Nördlinger Honoratioren vom Stadtrat bis zum Tuchfabrikanten.

Zufällig ist an diesem Sonntagabend auch die 14-jährige Metzgerstochter Ingrid Leitz im Raum. Sie solle die Astronauten bedienen, befinden Keßler und die Hotelbesitzer einhellig. Ihr wird dafür extra ein schönes Dirndl aus Berchtesgaden gekauft.

Die nächsten Wochen vergehen für das Mädchen wie im Flug, und dann, am 10. August 1970, öffnet sich die Hoteltür und es treten ein:

Eugene Cernan, der spätere Apollo-17-Kommandant, Alan Shepard, der einmal als erster Mensch auf dem Mond Golf spielen sollte, Edgar Mitchell, der künftige Pilot der Apollo-14-Mondlandefähre, und sein Ersatzmann Joe Engle

Ingrid Leitz ist fasziniert von den durchtrainierten Amerikanern. „Die haben eine unglaubliche Ausstrahlung gehabt“, erinnert Sie sich.

Die Astronauten erwartet ein umfangreiches Programm. In Begleitung von Geologen der Universität Tübingen sollen sie in Steinbrüchen rund um Nördlingen ihren Blick dafür schärfen, welche Gesteinsproben auf dem Mond unbedingt eingesammelt werden müssen. Das Nördlinger Ries eignet sich wie kaum ein anderes Gebiet der Erde für erste Kratererfahrungen vor einer Mondlandung.

Vor mehr als 15 Millionen Jahren schlug hier ein gigantischer Meteorit ein. Die Wucht des Aufschlags entsprach mehreren hunderttausend Hiroshima-Atom-bomben.

Alles Leben im Umkreis von mindestens hundert Kilometern wurde ausgelöscht. Es entstand ein Krater von beinahe 25 Kilometern Durchmesser und 500 Metern Tiefe. Die beim Einschlag entstandene Trümmermasse – insbesondere die Gesteinsart Suevit – war ideal dafür, die Astronauten mit den typischen Merkmalen eines Meteoritenkraters vertraut zu machen.

Gut gelaunt und ausstaffiert mit schwarzen Gummistiefeln machen sich Cernan, Shepard, Mitchell und Engle auf ihre erste Exkursion. Sie betreten den Suevit-Steinbruch in Otting, packen ihre Schaufeln aus, kraxeln über kantige Gesteinsbrocken, als plötzlich ein Mann vor ihnen steht, der sie fassungslos anblickt.

Die deutschen Begleiter verstehen da keinen Spaß. Sie geben dem Unbekannten die Anweisung, sofort zu verschwinden.

„Wenn einer verschwindet, dann seid ihr das“, gibt ihnen der Fremde zu verstehen. Er ist der Besitzer des Steinbruchs.

Nach dieser Panne – die Amerikaner nehmen das im Gegensatz zu ihren deutschen Begleitern ganz locker – streifen die vier Astronauten wie normale Touristen durch Nördlingen. Zufällig ist an diesem Tag dort auch der Tierfilmer Otto Hahn unterwegs. Der traut seinen Augen nicht.

„Da ist doch der…“, sagt er sich, und im nächsten Augenblick hält er Cernan seinen Reisepass vor die Nase. Der Amerikaner soll da doch bitteschön sein Autogramm hineinschreiben.                            

Autogramm in einem Reisepass, das hab‘ ich noch nie gemacht“, soll Cernan gemurmelt haben – sichtlich angetan von diesem netten, aber ein wenig selt-     samen Deutschen.

Am nächsten Tag steht Otto Hahn bereits um sechs Uhr morgens mit seinem Auto vor dem Hotel Sonne. Mit von der Partie sind seine Frau Irmgard, seine kleine Tochter Heidi und hochwertige Kameras. Als die Amerikaner wieder zum Steinbruch aufbrechen, fährt er ihnen einfach hinterher.

Im Steinbruch entsteht Bild um Bild, Film um Film. Nachdem Hahn gerade im Auto die Kamera neu geladen hat, begegnet er einem Reporter der „Wochenschau“. Die Wissenschaftler der Uni Tübingen haben ihn des Platzes verwiesen – unverrichteter Dinge. Hahn  befürchtet nun auch Hindernisse, geht zurück zum Drehort. „Kennen Sie den?“, fragen die Tübinger Hahns Ehefrau. „Ja, den kenn ich“, sagt sie harmlos, „der macht das nur als Hobby.“ 

Daraufhin darf Hahn bleiben. Er ist somit der Einzige, der die Apollo-Astronauten bei ihren geschichtsträchti- gen Exkursionen im Nördlinger Ries gefilmt und fotografiert hat. Seine histori- schen Aufnahmen waren die Attraktion einer Sonderausstellung im Rieskrater-Museum Nördlingen, die eigens den Astronauten gewidmet ist.

 „Die Amerikaner waren toll, ganz einfach klasse“, schwärmt Hahn noch heute. Die Sympathie beruhte wohl auf Gegenseitigkeit. 

Am Abend nach der Steinbruch-Tour sitzen Hahn und seine Familie mit den Astronauten im Hotel Sonne zusammen. Es wird über Gott und die Welt geredet, viel gelacht. Das einheimische Bier schmeckt den Amerikanern. Es wird immer lustiger. „Als der Türmer um Mitternacht vom Turm Daniel das traditionelle „So G’sell so!“ gerufen hat, hat einer der Astronauten raufgeschrien: „So G’sell so!“ erzählt Ingrid Leitz-Wilke. 

Eugene Cernan ist wohl der Übermütigste von allen. Einmal fährt er mit dem Fahrrad auf der alten Stadtmauer von Nördlingen spazieren – und stürzt. Den Armverband trägt Cernan mit Fassung. 

Mitte August reisen die Astronauten wieder ab – im Gepäck Geräuchertes aus der Metzgerei Niklas-und Leitz. 

Die NASA bleibt Nördlingen in Dank verbunden. Die Amerikaner setzen sich mit dafür ein, dass das Ries das begehrte Prädikat „NationalerGeopark“ erhält. 

Und sie schenken dem Rieskrater-Museum etwas Unbezahlbares – einen Gesteinsbrocken vom Mond. Der Geopark Ries ist seit Mai 2006 als Nationaler Geopark zertifizit.-

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